Unverständliche Texte sind stets ein Ärgernis für die Leser. Doch sie können auch juristisch bedenklich für ihre Verfasser sein. Diese These vertritt Wirtschaftsprofessor Dr. Michael Olbrich von Universität des Saarlandes.

Er und seine Mitautorin Diplom-Kauffrau Kathrin Fuhrmann kritisieren vor allem die Anhäufung von Anglizismen wie „cash flow”, „free cash flow“, „fair value” und „earnings before interest and taxes”, „Cash Flow Hedge Accounting” und „Portfolio Fair Value Hedge Accounting” in Geschäftsberichten der deutschen DAX-Konzerne. Die englischen Wörter  machen es Laien sehr schwer bis gar unmöglich, die Texte der Unternehmen zu verstehen.

Diese Unverständlichkeit der Geschäftsberichte stehe im Widerspruch zu Gesetzen, die eine verständliche Rechnungslegung erfordern, damit die juristisch verbriefte Rechenschafts- und Informationsfunktion erfüllt ist. In Paragraf 244 des Handelsgesetzsbuchs wird gefordert: „Der Jahresabschluss ist in deutscher Sprache und in Euro aufzustellen.“

Auch Paragraph 400 des Handelsgesetzsbuchs – „Unrichtige Darstellung“ – lässt sich laut Olbrich und Fuhrmann  auf unverständliche, nicht in deutscher Sprache abgefasste Geschäftsberichte anwenden. „Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder (…) Geldstrafe“ droht demnach einer Person, die „als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder als Abwickler“ zum Beispiel „Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergibt oder verschleiert“.

Die Autoren machen deutlich: Unrichtig werden die Tatsachen nicht, nur weil Unternehmen sie statt in deutscher Sprache in unverständlichen Anglizismen oder gar ganz in englischer Sprache widergeben, wie dies die Volkswagen AG in Anhängen des Einzel- und Konzernabschlusses tut. Hingegen treffe der Tatbestand der Verschleierung sehr wohl auf einige Passagen von Geschäftsberichten zu. Eine Verschleierung liegt nach Auffassung etlicher juristischer Kommentare dann vor, wenn ein Sachverhalt „nur undeutlich“ wiedergegeben oder gar „unkenntlich gemacht“ wird.

Die Häufung von Anglizismen, die Unverständlichkeit der Texte für Laien, die Verwendung von Anglizismen anstatt deutscher, bisweilen präziseren Begriffen und die oft unzureichenden Worterklärungen in Glossaren – wegen dieser vier Gründe „drängt sich daher der Verdacht einer Verschleierung auf, insbesondere, wenn eine solche Verwendung unnötiger englischer Termini in vergleichsweise hoher Zahl erfolgt.“ (Olbrich/Fuhrmann, 330)

Ihre Argumentation führt die Autoren zu dem Fazit:

„Um den Informationszweck der Rechnungslegung und des Geschäftsberichts zu erfüllen, liegt es grundsätzlich im Interesse der Unternehmen, sich einer klaren, verständlichen Sprache zu bedienen. Dies bedeutet auch, dass Fremdwörter vornehmlich nur verwendet (und im Text oder Glossar vollumfänglich erklärt) werden, wenn deutsche Bezeichnungen nicht existieren.“ (Olbrich/Fuhrmann, 331)

Wir alle werden gespannt sein dürfen, ob sich die DAX-Konzerne von solchen Studien beeinflussen lassen und endlich verständlichere Geschäftsberichte verfassen. Dies scheint mir wenig wahrscheinlich, denn wer verständlich schreibt, der muss eindeutig festlegen und sich auch gezielten Nachfragen sowie einer – vielleicht gerechtfertigten – Kritik stellen. Hierzu scheinen die meisten Konzerne keine Lust zu haben. Dabei nehmen sie in Kauf, dass unverständliche Geschäftsberichte das Image eines Unternehmens durchaus beschädigen können.

Die Links zu den beiden Gesetzestexten: 

http://dejure.org/gesetze/HGB/244.html
Handelsgesetzbuch:  § 244  Sprache. Währungseinheit

Der Jahresabschluß ist in deutscher Sprache und in Euro aufzustellen.


http://dejure.org/gesetze/AktG/400.html
Handelsgesetzbuch:  § 400 Unrichtige Darstellung

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder als Abwickler

1.     die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert, wenn die Tat nicht in § 331 Nr. 1 oder 1a des Handelsgesetzbuchs mit Strafe bedroht ist, oder

2.     in Aufklärungen oder Nachweisen, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes einem Prüfer der Gesellschaft oder eines verbundenen Unternehmens zu geben sind, falsche Angaben macht oder die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergibt oder verschleiert, wenn die Tat nicht in § 331 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs mit Strafe bedroht ist.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Gründer oder Aktionär in Aufklärungen oder Nachweisen, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes einem Gründungsprüfer oder sonstigen Prüfer zu geben sind, falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt.

Quelle:

Olbrich, Michael / Fuhrmann, Kathrin (2011) : DAX 30-Geschäftsberichte im Lichte von § 244 HGB und § 400 AktG. In: Die Aktiengesellschaft Heft 9 / 2011, 309-348

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